Kleine WM - großes Projekt -gemischte Gefühle!
Als ich letztes Jahr bei der Motten-WM am Gardasee im Boatpark stand, aufs Wasser blickte und einfach nur aufs Wasser wollte um zu Segeln, ist mir klar geworden, dass ich lange nicht mehr so viel Spaß am Segeln hatte wie jetzt. Meine Kindheitsleidenschaft wurde zwischenzeitlich zum Beruf und auch zu akribischer und harter Arbeit. Ich bin sehr erfüllt mit meinem Projekt Olympia, aber diese Lust einfach nur aufs Wasser zu gehen hatte ich lange nicht, vielleicht fünf, sechs Jahre nicht. Nach meinem Motten-Exkurs habe ich gemerkt wie sehr mich diese Erfahrung in der zweiten Jahreshälfte im Laser beflügelt hat. Ich habe wiederentdeckt, welch schönen Sport ich tagtäglich ausüben darf und was für ein Privileg es ist, dieses Projekt mit all meinen Unterstützern zu bestreiten.
Deftiger Schwall an Aufgaben
Also plante ich im Oktober 2017 in Japan bei meiner letzten Laser-Regatta der Saison die Motten-WM 2018 zu segeln, sofern es terminlich möglich ist. Der Gedanke in Bermuda im Hafen zu stehen, wo vor wenigen Monaten der America’s Cup ausgetragen wurde und wieder das Gefühl der puren Lust in mir zu spüren, auf einem der coolsten Boote übers Wasser zu fliegen, reizte mich sehr. Aber bis ich an diesem Punkt war, sollte noch einiges an Organisationsaufwand auf mich warten:
c) Optimierung des Bugsprits. Dieses Teil spielt eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der Flughöhe. Funktioniert dies nicht präzise, geht gar nix!
d) Niedrigerer Mastfuß. Der liefert bessere Hebelverhältnisse durch einen niedrigeren Segeldruckpunkt und eine bessere Aerodynamik.
e) Neues Segel.
f) Neues Trampolin für bessere Aerodynamik und besserer Erreichbarkeit der Streckerleinen.
b) Transportbox organisieren (Justus Schmidt).
c) Boot und Ersatzmaterial containerfest verpacken (Jan. 2018).
d) Transportbox mit Boot nach Hamburg bringen und übergeben (Feb. 2018).
e) Transport von Hamburg nach Hayling Island (UK): Dort Container beladen für die Überfahrt nach Bermuda (hat Andreas John übernommen)
f) Transportversicherung abschließen (hat Andreas John organisiert)
g) Containertransport von Hayling Island nach Bermuda (Kosten übernimmt Veranstalter)
b) Unterkunft bei Martin und Lisa S. in Bermuda (organisiert von Marc Pickel)
c) Auf der der Insel Roller besorgen für tägliche Fahrten zum Hafen (Martin S.)
Das ist nur eine grobe Übersicht meiner Planung und Organisation der WM-Vorbereitung. Da das nicht kompliziert genug wäre, kamen noch viele weitere Fragen und Schwierigkeiten hinzu. So war meine Zeit in Kiel ziemlich knapp, schließlich war ich für mein Primärprogramm im Laser Anfang des Jahres viel in Portugal und Spanien unterwegs. In den wenigen Tagen in Kiel musste ich also mein Boot entweder zum Bootsbauer bringen, oder abholen oder verpacken und dann nach Hamburg bringen. Doch das geht auch wieder nur mit Anhänger oder großem Auto. Dank Andreas John blieb mir zum Glück die Reise nach England erspart.
Nächste Baustelle
Die Foils! Es war aus zeitlichen Gründen schlicht unmöglich, meine Foils vor dem Containertransport fertig zu bekommen! Also musste ich mich mit Übergepäck im Flieger anfreunden. Die Voranalyse der Wind- und Wellenbedingungen in Bermuda war nächstens nötig, um das Überarbeiten auf die wahrscheinlich geeignetsten Foils zu begrenzen. Denn für alle war nicht genug Zeit. Wenn ich von wir spreche, dann meine ich mich unter der Anleitung von Marc Pickel in seiner Werkstatt mit all seinen Tools und seiner Expertise. Um ein Foil zu präparieren, musste ich es ein paar Stunden lang sorgfältig in mehreren Durchgängen schleifen, von Marc kritisch begutachten lassen, dann zum Lackierer bringen und abschließend nochmals alles final absolut glattschleifen.
Nächste Frage
Welches Segel? Eine kurze Rückversicherung bei Tom Slingsby, der das neue North 3di Mottensegel bereits getestet hatte, war hilfreich. Allerdings gab es Lieferengpässe. Das Segel traf erst am Tag vor Abflug nach Bermuda in Hamburg ein. Dort musste es ganz kurzfristig noch geändert und auf mein Boot angepasst werden. Nun aber musste ich noch eine Serie von Aufklebern ins Segel kleben und danach zusammen mit allen Foils Flugreise-geeignet verpacken. Dass ich in der letzten Tagen vor dem Abflug über ein dringend benötigtes Auto nicht verfügte, erschwerte die ganze Sache nicht unerheblich. Dank Lukas Feuerherd, Olli Freiheit, Marc Pickel und Johannes Janßen konnte ich irgendwie aber alle Orte erreichen.
Stressige Flugreise
Nun machte ich mich mit meinen Siebensachen und dem großen unhandlichen Übergepäck auf die 30-stündige Reise. Amerikanisches Visum hatte ich bereits. Übergepäck anmelden war erfeulicherweise weniger Problem als es zu verpacken. Was sich später als Hürde herausstellte, war der Zoll und die Gepäckkontrolle beim Zwischenstopp in New York. Mitten in der Nacht musste ich also mein Gepäck samt Übergepäck einsammeln, damit durch den Flughafen wandern und mit geduldiger und schierer Überredungskunst schließlich einen wohlwollenden Bediensteten finden. Dieser sollte mir zumindest meine Reisetasche nachts wieder für den Weiterflug selbst einchecken lassen, anstatt erst am nächsten Morgen. Ich wollte einfach sicher sein, am Reiseziel nicht mit leeren Händen dazustehen. Worauf ich unnachgiebig drängte, gelang schließlich!
Was aber meine Segelrolle und die Foils betraf, musste in der Kontrollstelle erst alles geöffnet und geprüft werden. Das Aufschneiden der Verpackungshüllen habe ich den netten Damen vorsichtshalber nicht ganz zugetraut. Schließlich wollte ich kein zerschnittenes neues Segel ernten. Also leitete ich das amerikanische Flughafenpersonal um 24 Uhr Schritt für Schritt an (ich hatte ja Zeit), was soweit auch ganz gut funktionierte. Als dann wieder alles verpackt war und eigentlich nichts mehr schief gehen konnte, machte ich mich um zwei Uhr nachts – na, wenn man schon mal da ist ;-) - auf zum Time Square.
Tolle Überraschungen! Was nun ...?
Als ich dann zehn Stunden später in Bermuda landete, war leider doch Schwerwiegendes schiefgelaufen. Mein Übergepäck mit Segel und Foils war nicht mit mir angekommen. Laut Tracking der Airline waren diese Utensilien aktuell in Paris, was irgendwie wohl kaum der Fall sein konnte. Ohne diese wichtigen Bootsteile fahre/fliege ich draußen auf dem Meer keinen Meter. Mein ungutes Gefühl verstärkte sich noch aus anderen Gründen. Die aktuellen Vorhersagen prognostizierten für die gesamte nächste Woche und sogar weiterhin starken Wind am und über dem Moth-Limit von 22 bis 26 Knoten (6 Beaufort). Damit hätte ich mit meinen Foils, welche noch nicht mal da waren, ziemliche Probleme zu erwarten. Abgesehen davon wurde mir später klar, dass diese WM keineswegs mit der vorjährigen am Gardasee vergleichbar sein würde. Während nämlich dort 240 Boote und damit eine breite Teilnehmermasse am Start war, vernahm ich am Tag meiner Ankunft in der ehemaligen Bootshalle vom Oracle Team USA nur High Tech-Motten vom Typ EXOCET. Die wirklichen Klasen-Insider wussten offensichtlich doch genauer, was uns auf Bermuda um diese Jahreszeit wahrscheinlich erwarten könnte. Vor allem wenn’s abwechselnd leichten und sehr starken Wind hätte, sind diese Boote unter’m Strich sehr viel zuverlässiger und segeltechnisch toleranter über die verschiedenen Kurse zu fliegen. Mit meinem Bootstyp MACH2 bin ich hier eher der Außenseiter. Außerdem sind hier „nur“ 55 Teilnehmer am Start. Ein Teilnehmerfeld aus vorwiegend der Moth-Elite und Segelprofis. Ihr Equipment birgt durchaus bis zu vier verschieden harte Carbon-Masten, drei fertig montierte Foil-Sets, sechs unterschiedlich geschnittene Segel (meist neueste Prototypen). Einem Motten-Segler geht bei solchen Anblicken das Herz auf. Meines einerseits auch. Andererseits mixte sich in mir ein sehr mulmiges Gefühl ein. Meine nur zwei Segel und ein einziges Foil-Set erschienen mir dagegen nur als Basis- oder gar Mini-Equipment. Das zudem noch irgendwo auf einem Flughafen oder in der Luft zwischen Bermuda und zu Hause ungetrackt herumkursierte.
Gefühs-Mix pur! Was sattelt sich wohl noch hinzu?
Ich schreibe das nicht einfach nur so, sondern aufgrund so vieler Stunden Aufwand und auch der finanziellen Investitionen und den allmählich erdrückenden Gefühlen. Doch dann – endlich! Nach zwei Tagen Vorort-Arbeit am Boot, meine Gedanken immer wieder beim verwaisten Gepäck, konnte ich den wahren Ort meines verschollenen Gepäcks ausfindig machen. Ein Aufatmen! Bald darauf konnte ich es am Hafen in Empfang nehmen. Sogar unbeschädigt. Unglaublich! Welch Brocken von Stein fiel mir vom Herzen. Erst jetzt waren mein Gedanken wieder geordnet und fokussiert auf das bevorstehende Regatta-Event ausgerichtet.
Dass mein Schwert-Foil und harter Mast alles andere als optimal für Starkwind-Prognose sind, dämpfte meine Stimmung immer noch ein wenig. Zumindest konnte ich nach 213 Tagen ohne Motten-Training endlich mal wieder aufs Wasser und meine 31. Motten-Einheit überhaupt absolvieren. Ein Lächeln zauberte mir der Test in den nächsten beiden Einheiten bei starkem Wind ins Gesicht. Ich probierte mein altes Schwert-Foil, das theoretisch bei starkem Wind ganz gut funktionieren sollte. Ich war mir allerdings noch nicht sicher, ob es auch zu meinem modifizierten Schwert passen würde. Aber es machte einen sehr guten Eindruck und ich hatte zum erst mal wieder ein Gefühl von guter Kontrolle bei Wind und etwas Welle. Und das war in Anbetracht der Windvorhersage essentiell. Ein Foil muss nicht nur Aufrieb sondern am Wellenkamm auch Abtrieb generieren und somit das Boot wieder nach unten „saugen“ können. Und genau das liefert nun mein altes Schwert-Foil, was mein anderes nicht konnte. Gleichzeitig konnte ich auch mein neues Segel testen und kann sagen: „Bin begeistert.“
Und nun wie immer: Das Bestmögliche geben!
Alles in allem habe ich nun für die bevorstehenden Wettkämpfe eine Boots-Ausstattung, welche der bei der letzten WM am Gardasee deutlich überlegen ist. Ich habe auch bei starkem Wind wieder ein gutes Gefühl. Und so Manches muss ich wohl in alter Laser-Manier übers Hängen und die Taktik auszugleichen versuchen. Gegen die Besten, die hoch trainierten Motten-Freaks, werde ich hier wohl nicht viel ausrichten können. Das war mir sehr wohl von Anfang an klar! Ich werde noch ein paar letzte Kleinigkeiten am Boot optimieren, vor allem heute am letzten Vortag nochmals trainieren und viel Manöver üben. Dann kann es am Montag, 26. März, mit der WM endlich losgehen - sollte es der vermeintlich starke Wind erlauben. Bis hierher war es für mich ein langer und steiniger Weg, mit großem Organisationsaufwand und vielen Komplikationen und Investitionen. Ein schöner Lohn ist ein traumhaftes und gleichermaßen legendäres Segelrevier. Hoffentlich kann ich alle Rennen gut absolvieren und zufriedenstellend oder vielleicht auch mal richtig glücklich durchs Ziel fliegen. Dafür werde ich alles geben! So entspricht es meinem Selbstverständnis. Egal wie’s hier ausgeht: Für‘s Leben hab ich allemal dazugelernt. Auf etwas andere Art wie in der Schule ;-) .
Danke!
An der Stelle ein großes Dankeschön an alle meine allgemeinen Unterstützer und insbesondere den nachfolgend genannten Personen für ihren Extrasupport für mich und das Projekt MOTH WORLDS 2018!
- Marc Pickel
- Martin und Lisa S.
- Andreas John
- Markus Koy
- Rouven Rademacher
- Liros Ropes
- Benjamin und Sebastian K.
- Peter Frisch GmbH
- Justus Schmidt
- Manfred Schreiber
- Olli Freiheit
- Lukas Feuerherd
- Johannes Janßen