
Philipp Buhl verwirklicht seinen Karriere-Traum
Höchst verdient ♦ beeindruckend ♦ sensationell !!!
(Melbourne / Sandringham, 11.02./16.02.2020 -- Text: Von Friedl Buhl, Bilder ©: Tom West, Melbourne)
Eine langjährige sportliche Erfolgsgeschichte erhält in Australien ihre Krönung. Nach über 20 Jahren zunehmender Hingabe an den Segelsport gelingt der innig angestrebte Triumph seiner Sportkarriere. Ausgerechnet in der sogenannten Phillips-Bucht vor dem australischen Sandringham bei Melbourne gewinnt Philipp Buhl den Weltmeister-Titel in der olympischen Laser-Klasse.
Diese bisher größte Erfolg hat gleichzeitig großen historischen Wert für den deutschen Segelsport und natürlich nicht zuletzt auch für seinen Heimatverein, den überschaubaren „Segelclub Alpsee Immenstadt“ (SCAI). Denn über 20 Jahre musste Deutschland auf einen Weltmeister in einer olympischen Segel-Klasse warten.
Früher und nachhaltiger Aufstieg
Es war Philipps zwölfte WM. Lückenlos seit 2009. Seine WM-Premiere führte ihn nach Kanada. Sowohl für die Junioren-WM (2007, Ontariosee, Kingston) als auch die erste der Erwachsen (2009, Nova Scotia / Halifax) bei der deutlich ran. Damals begleitete und betreute ich meinen Sohn, wie häufig in den Jahren davor und danach. Als 19-jähriger war Sohnemann noch ein Jungspund unter den 163 WM-Teilnehmern aus 55 Nationen. Aber sein seglerisches Können und Selbstvertrauen war bereits auf ein erstaunliches Niveau angewachsen. Dreimal Gold und einmal Silber und Bronze bei Jugend- und Junioren-Europameisterschaften und Bronzemedaille bei der Junioren-WM (Kingston) hatte Philipp zur Zeit seines internationalen Durchbruchs um die Jahre 2007 bis 2009 bereits verbuchen können. Hinzu kam für den damals 17-jährigen beispielsweise auch ein IDM-Titel (2007, Chiemsee) bei den Erwachsenen. Und spätestens von da an lernten die vorwiegend norddeutschen etablierten Kadersegler den Laser-Jungen aus dem Oberallgäu als zu fürchtenden Shooting Star kennen. Eine derart glänzende Bilanz in den jungen Jahren war zweifellos ungewöhnlich außergewöhnlich.
Bei den jährlichen Weltmeisterschaften lieferte Philipp schwankend gute bis hervorragende Platzierungen. Die Qualifizierung für die Goldflotte, das beste Drittel von regelmäßig etwa 150 Startern aus 50 Nationen, sicherte er sich immer ohne Bange - auch bei Weltcup- und EM-Events. Zusehends und unbeirrt hatte sich Buhli - so nannten ihn seine deutschen Seglerkameraden - an und in die Weltspitze vorgearbeitet.
Philipps Erfolgsbilanz bei int. Senior-Meisterschaften und Weltcups bis 2019:
EM: Gold (2012, Hourtin) und Silber (2015, Arhus), EM-Bronze (2019, Porto)
WM: Bronze (2013, Oman), Silber (2015, Kingston), Bronze (2018, Arhus),
Sailing Worldcups: Mehrere Siege und Podestplätze (2012 bis 2018) und Olympiateilnehmer in Rio, 2016.
Die düsteren Begleiter zwischen den Erfolgsfreuden
Der zunehmend heiß ersehnte WM-Titel und ebenso die anvisierte Olympiamedaille blieben als Zielsetzungen offen. Trotz seines zigfach bewiesenen Potentials wollte oder sollte es (noch) nicht sein. Und auch weitere Enttäuschungen, Misserfolge oder gar nachhaltig schmerzliche Niederlagen musste der sechsfache Sieger bei der Kieler Woche ertragen, sich dabei zwangsläufig mental abhärten, aber sie auch richtig verarbeiten und daraus schließlich wichtige Verbesserungen zapfen. Das konstruktive Bestehen solcher Prozesse setzt persönliche Eigenschaften wie Unbeirrbarkeit, eisernen Willen, manchmal Nerven wie Drahtseile, Selbstvertrauen und eine Fokussierfähigkeit über ein Fernrohr mit extrem weiter Brennweite voraus.
Eine der bittersten Pillen hatte er bei der WM in Perth (Australien) vor acht Jahren schlucken müssen. Interessanter Weise auf dem jetzigen Glücksbringer-Kontinent. Er unterlag damals seinem Kaderkollegen Simon Grotelüschen (Lübeck) im Kampf um das einzige deutsche Laser-Start-Ticket für Olympia in London 2012.
Und noch schmerzlicher war für Philipp wohl der Verlauf der Olympia-Regatta 2016 in Rio de Janeiro. Obwohl er bei großen vorangegangenen Events (2015 Vizemeister bei WM und EM) sein Potential auch für das olympische Podium bewiesen hatte, reichte es nur für den 14. Rang. Der Glaube an Edelmetall und vielleicht sogar das goldene war damals keineswegs vermessen. Aber es wollte einfach nicht. Solche dunklen Phasen bleiben Leistungssportler nicht erspart. Nur wer damit richtig und unbeirrt umzugehen lernt, geht in vielerlei Hinsicht gestärkt daraus hervor.
Fulminantes Comeback
Großen Respekt gegenüber dem Dauerkämpfer Philipp, wie er diese beschwerlichen Karriereabschnitte angenommen, durchlebt und schließlich gewinnbringend überstanden hat. Hohe Anerkennung auch bezüglich seines eisernen Willens, niemals aufzugeben und fest an die Wiederauferstehung zu glauben.
Aber nun, nach einem unbefriedigenden Jahr 2019, begann für den unnachgiebigen Vorwärtskämpfer die Gemüts-Sonne wieder einmal aufzugehen. Und wie! „
Das vergesse ich nie wieder!“ (Yachtonline,13.02.20) verriet der Führende bereits zur WM-Halbzeit nach einem bis dahin traumhaften Erfolgskurs, der eigentlich besser gar nicht denkbar ist. Die Wettfahrtplätze
4, 1, 1, 1, 1, 2 vermeldete die Zwischenbilanzliste. Dahinter verbergen sich auch zwei Tages-Bestleistungen über alle drei Flotten. Enorm! Das kommt bei einer WM aufgrund der extrem geballten Konkurrenz nur äußerst selten vor.

Nur der Franzose Jean Baptiste Bernaz mit einer auch sehr starken Qualifyingserie (5 Punkte Rückstand) konnte Philipp in etwa Paroli bieten. Sonst zunächst niemand der Weltranglistenvorderen: nicht ehemalige Weltcupsieger, teils mehrfache Weltmeister, Olympia-Medaillisten, auch nicht der amtierende Olympiasieger Tom Burton (Australien) und der neu auserkorene Landsmann-Olympiakandidat Matthew Wearn.
Aber es sollte erfahrungsgemäß erst richtig losgehen. Wie Historien zeigen, folgt nicht selten einer guten Auftaktphase ein gewisser Abgang im immer heißer werdenden Wettkampf um die Podestplätze.
Trotzdem verblieb in mir als Fernsupporter und auch bei Philipp – man kann es nicht erklären - ein sehr gutes hoffnungsvolles Gefühl. Und dies bestätigte sich bei den weiteren Wettfahrten im Goldfleet.
Seglerische, mentale und physische Spitzenleistung
In der Besten-Flotte verdichtet sich die Konkurrenz rein rechnerisch auf das Dreifache. Philipp zu Yachtonline: "In der Goldflotte können ab morgen 15. Ränge wieder wertvoll werden." und „ ... der Weg ist noch lang.“ Der Kampf wird härter und schon kleinen Fehlern führen zu gnadenloser Abstrafung. Und dies vor allem in der Männer-Laser-Klasse. Sie zeigt sich immer wieder als die wohl härtesten olympischen Seglerdisziplin. Hier tummeln sich regelmäßig 10 bis 15 Athleten mit potentiellen Medaillen-Chancen. Um einige solcher Gegner-Kaliber mit ihren teils großen Namen zu nennen: Tom Burton und Matthew Wearn (beide AUS), Sam Meech (NZL), Pavlos Kontides (CYP), Bernaz (FRA), Nick Thompson und Elliot Hanson (beide GBR), Laserlegende Robert Scheidt (BRA), Tonci Stipanovic (CRO), Hermann Tomasgaard (NOR).
Führung blieb unangefochten
Die Spitzengruppe aus aller Welt konnte den ununterbrochen im gelben Trikot segelnden Deutschen auf seinem entschlossenen Vorwärtskurs nicht aufhalten. Auch Philipps zunächst gefährlichster Verfolger aus Frankreich, Bernaz, nicht. Er wurde aufgrund einer Frühstart-Disqualifikation (BFD-Strafe) bereits in der ersten Finalserien-Wettfahrt aus der zweiten Position nach hinten katapultiert. Punktgenau starten ist grundlegend wichtig für eine Topplatzierung, aber schon 1 m zu weit vor der 250 m langen virtuellen Startlinie brandgefährlich.
Australiens Matador Wearn übernahm nun die Führerschaft der Angreifer. Die kollektive Jagd auf den Bayer ging weiter. Über zwei Tage mit je drei Rennen. Das bedeutete für alle Athleten Anschlag bei Muskeln und Ausdauer und nicht zuletzt mentale und nervliche Kondition: Puls über 200 Schläge/min über eine einstündige Wettfahrt bzw. ca. 9 km Segelstrecke. Doch der bisherige Dominator blieb unangefochten vorne. Und zwar so überzeugend, dass er auf die letzte Wettfahrt sogar hätte verzichten können. Doch sicherheitshalber und weil der es vielleicht auch nochmals wissen wollte, startete der bereits neu geborene Herr Weltmeister auch in der zwölften und abschließenden Wettfahrt. Er unterstrich damit erneut seine Topform: Platz 4, Verfolger Wearn 6. Gewonnen hat diese Wettfahrt der Belgier Wannes van Laer (gesamt 11.). Ein schöner Abschluss für ihn.
Historisch! Laser-Weltmeister erstmals ein Deutscher. Danke!
Noch viel schöner endet die Laser World Championship 2020 für Weltklassesegler Philipp Buhl. Er gewinnt erstmals den seit über 10 Jahren angepeilten WM-Titel. Und dies souverän und mehr als verdient: 12 Punkte Vorsprung bei Einrechnung beider Streichergebnisse und 18 Punkte Vorsprung über alle Wettfahrten. Oder anders betrachtet: Philipps schlechteste streichbare Resultate sind ein 10. und 4. Platz.
Die Tragweite des historische Flairs von Philipps Toperfolg reicht noch weiter als das bereits erwähnte jahrzehntelange Warten auf einen deutschen WM-Titel bezüglich aller Olympischen Segelklassen.
Speziell im Laser, gebaut vor fast 50 Jahren, schnell weltweit beliebt und verbreitet, seit 1996 gegen den legendären Flying Dutchman (Philipps anfängliches Lern-Bootklasse) erstmals olympische Bootklasse der Männer, stand ein Deutscher seit der ersten WM 1974 noch gar nie auf der obersten Podiums-Stufe. Philipp gelang dies nun, mit viel Sportlerherzblut in jahrelanger akribischer Hinarbeit und schlussendlich über eine Woche hartem Wettkampfeinsatz diese Wartemauer endlich einzureißen. Philipp dazu: „Bei uns hat ja schon keiner mehr geglaubt, dass wir siegen können.“ Es ist einfach sensationell Philipp, was Du für die Seglerwelt hierzulande vorführt und vollbracht hast. Da kannst Du mehr als stolz darauf sein.
Lieben Dank von uns zu Hause für die vielen spannenden Partien des Mifieberns und Zitterns, verbunden mit Daumendrücken, Hoffen und Bangen und letztlich aber die weit überwiegenden Freuden, die Du uns im Rahmen deiner Segler-Einsätze geboten hast.
"Der im Allgäu aufgewachsene, ehemalige Skirennfahrer Buhl hat sein Handwerk im Segelclub Alpsee-Immenstadt auf dem Großen Alpsee von Vater Friedel Buhl auf einem Flying Dutchman gelernt. Seiner Familie, seinen Partnern und Wegbegleitern widmet er den Titel: "Ich empfinde es als großes Privileg, Leistungssport auf diesem Niveau ausüben und mich für den Erfolg quälen zu dürfen. Ich danke denen, die es mir ermöglichen. Allen voran meinem Vater."
H e r z l i c h e n G l ü c k w u n s c h ...
... an Mister Weltmeister
Glückwunsch aber auch an die Inhaber der weiteren Podestplätze und auch Top Ten-Platzierungen: Wearn (2., Australien), Stipanovic (3., Kroatien), Bernaz (für ihn sehr undankbarer 4., Frankreich), Hanson (5., England), Tomasgaard (6. Norwegen), Luke Elliot (Australien), Meech (8., Neuseeland), Jesper Stahlheim (9., Schweden) und Filip Jurisic (10., Kroatien).
Die Platzierungen weitere große Namen: Kontides (12. Cypern, zweifacher Weltmeister), Burton (15., Australien, Olympiasieger), Thompson (19. England, zweifacher Weltmeister).
Nik Aron Willim (Norddeutscher Regatta-Verein) vom Perspektivkader des German Sailing Teams, Laser-Kollege und Trainingspartner von Philipp wurde im Silberfleet 25.
Ein Blick auf den WM-Erfolgsspiegel des Lasers zeigt für Deutschland sechs Medaillen seit der ersten WM 1974: 1 x 1., 3 x 2. und 2 x 3. Platz. Vier davon hat der nun neugebackene Weltmeister für Deutschland erkämpft. Zwei Silbermedaillen entfallen auf das Konto von Andreas John (1985) und Stefan Warkalla (1991). Zu der Zeit war der Laser noch nicht olympische Klasse, erst nach 1992.
Die Medaillenanzahl-Führenden sind Australien vor Brasilien und England. Diese Reihenfolge besteht auch für die Anzahl der WM-Titel. Deutschland ist mit Philipps Titelgewinn um fünf Positionen auf nunmehr Rang acht vorgerückt.
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