Philipp Buhl versilbert EM-Auftritt

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Philipp Buhl im Laser bei einer Finalwettfahrt: Mit excellenter seglerischer, athletischer und mentaler Leistung unter erheblichen Erschwernissen zur EM-Slbermedaille.

Titel trotz außerordentlichen Erschwernissen nur knapp verpasst.

Einen erneut sensationellen internationalen Spitzenerfolg verzeichnet Seglertalent Philipp Buhl vom SCAI. Bei der Laser-EM der Junioren an der französischen Atlantikküste vor Douarnenez holt er sich die Silbermedaille.
Der zweifache Junioren-Europameister von 2007 ist als Titelverteidiger angetreten und wurde mit Eröffnung des Events zum Gejagten. Mit mentaler, segeltechnischer und athletischer Stärke stellte er sich eindrucksvoll den 126 Konkurrenten aus 26 Nationen. In einem dramatischen Verlauf musste er mit mehreren schweren Dämpfern klarkommen und zunehmend alles auf eine Karte setzen. Auch im Finale war ihm dieses Mal nicht das berühmte Quäntchen Glück beschert, sondern eine fatale Strafe der Jury, die dem jungen Athleten den Zutritt auf die greifbar nahe Glanzposition endgültig versperrte.
Enttäuschung besteht nicht mehr - so sollte es kommen - so ist eben der Leistungssport, in dem nur einer der ganz große Gewinner sein kann. Für den jetzigen Vize-Champion ist dieser Erfolg so hochwertig wie der Titelgewinn, denn er weiß, was er vollbracht hat.

(Douarnenez, Frankreich / Bretagne, 27.07./01.08.2008 (Text und Bild: fb))

Das Event begann für Philipp am ersten Wettfahrtag mit einem 9. Platz. Im Anschluss setzte er eine deutliche Steigerung auf. Aus der 6. Position an Luvmarke 1 segelte sich Philipp vor allem mit photo19_19-siegerehr-3beeindruckendem Vorwindspeed an die 2. Position und kreuzte später die Ziellinie als Sieger. Damit verbuchte er Rang 4 in der Zwischenwertung.

Am zweiten Wettfahrttag wartete die Ozeanbucht vor Douarnenez mit teils strömenden Regen und lebhaften Wind auf. Das Problem für die Wettfahrtleitung waren die Veränderungen der Windrichtung um bis ca. 50°. Schließlich sollten auf der selben Bahn nacheinander zwei Standard- und das weibliche Radial-Fleet gestartet werden. Am späten Nachmittag gelang schließlich ein Start. Auf dem Vorwind brach die Wettfahrtleitung wegen einer Windrichtungsänderung von ca. 30° ab. Philipp lag bis dahin an 4. Stelle und der Abstand nach vorne war nicht allzu weit. Nach erneutem längeren Abwarten gab die Wettfahrtleitung auf und schickte die Segler in den Hafen.

Der 3. Wettfahrttag brachte kräftigen Wind um 4 Bft. An diesem Tag spürten die Segler an der langen Dünungswelle deutlich, dass die Meeresbucht vor Douarnenez westlich zum Ozean offen war. Trotz des enormen Tidenhubes von ca. 6 m hielten sich die Meeresströmungen überraschenderweise in Grenzen. Sie waren auf dem Segelareal letztlich wesentlich vom Windeinfluss geprägt, zumindest an der obersten Wasserschicht. Trotzdem mussten Sie vor allem beim Starten mit einkalkuliert werden, dagegen kaum kurstaktisch.
Beim Start zur 3. Wettfahrt lief für Philipp alles perfekt. Er lieferte einen souveränen Sieg ab.
Im Folge-Race glückte bei Philipp der Start im dichten Gedränge nicht. Schadensbegrenzungs-Strategien konnten auf Grund der Umstände nicht effektiv eingesetzt werden. Dies bedeutete eine Position über 30 nach der Startkreuz. Bei dieser blieb es aber nicht. Seine Gegner wussten um die Stärke des amtierenden Europa-Champions, bei einem Ausrutscher wieder in das Vorderfeld vorzustoßen. In diesem Fall war er im Ziel wieder 14. und laut Zwischenergebnis auf Platz 4.

Der 4. Tag sollte für den Segler vom Alpsee ein Tag mit extremen Höhen und Tiefen werden.
Das Auslaufen der ca. 450 Laser begann wie immer um 12:00, damit pünktlich um 14:00 das erste Startprozedere anlaufen konnte.
Bei Sonnenschein und 3 bis 4 Bft begann der Wettkampf für Philipp mit einem gelungenen Start. Sein Speed war auf allen Kursen unnachahmlich, das in der Voranalyse aufgestellte großraumtaktische Kurs-Konzept goldrichtig. Philipp rundete zwar als Zweiter hinter einem Iren die Luvtonne, aber auf dem Vorwind gab es für diesen keine Chance mehr. Philipp vergrößerte den Abstand zu seinen Verfolgern auf allen weiteren Kursen kontinuierlich. Im Ziel konnte er fast eine Minute lang beobachten, wie sein schnellster Verfolger, James Burman (Australien), den 2. Platz erkämpfte. Da macht das Gejagt-werden Spaß, und dies stärkte das Selbstbewusstsein des Titelverteidigers.
In nächsten Race setzte dieser noch eins drauf. Bereits am Luvfass lagen zwischen Buhl und seinen Jägern mehr als 50 m reine Höhe und auf dem Raumkurs bretterte er im Gleitflug eine weitere Distanz heraus. Keiner surfte zumindest an diesem Tag so perfekt die Atlantikwellen auf dem Vorwind. Mit über eine Minute Zeitabstand (entspricht etwa 250 m) hatte der Verfolgte Buhl seine Konkurrenz fast schon deklassiert.
Am Abend führte Philipp das Zwischenklassement an. Zur Überraschung und Spannungssteigerung war er jedoch punktgleich mit dem Engländer Evan Scott. Dieser hatte im anderen Fleet ebenso beide Wettfahrten als Schnellster über die die Runden gebracht. Zeichnete sich hier bereits Philipps Top-Konkurrent ab? Man konnte das so annehmen, obwohl erfahrungsgemäß in einer weiteren Halbzeit noch eine Unmenge passieren kann.

Die Freude über die aktuelle Situation dauerte nicht lange. Denn ein Protest des Fanzosen Gellee wegen angeblicher Verletzung der Vorfahrtsregeln führte zur Disqualifikation von Philipp in der ersten Siegwettfahrt. Das entschied das Schiedsgericht ohne Verhandlung, da er nicht anwesend war. Es war ihm kein Vergehen bewusst. Zwar wurde es einmal bei einer Begegnung in der Nachstartphase knapp, der Franzose schrie irgendetwas, aber nach Philipps Einschätzung bewegte sich das realitätsbezogen im legalen Bereich. Auf keinen Fall hatte der Franzose irgend einen Nachteil, im Gegenteil, denn die Alternative hätte für ihn eine wirklich nachteilige Unterwendung bedeutet.
Nachträgliche Bemühungen gegen den bereits abgesegneten Protest waren erfolglos. Philipp fiel auf den 3. Rang zurück. Das war natürlich ein herber Dämpfer.
Der Franzose bekam die passende und noch deftigere Retourkutsche zwei Tage später, worüber weiter unten noch kurz berichtet wird.


Mit dem 5. Wettfahrttag (ab Race 7) wurden Gold- und Silberfleet installiert. Die Situation für Philipp wurde wegen der Disqualifikation natürlich angespannter. Vor ihm lagen Scott (England) mit immerhin 13 Punkten Vorsprung und Burman (Australien). Das war nun ein Paradefall für die richtige mentale Bewältigung.
In den ersten Finalwettfahrten (Wettfahrten 7 und 8) kam es erneut zu Turbulenzen. Es lief zwar für Philipp nicht schlecht, aber alles andere als rund. Im Fleet war ab jetzt die bessere Hälfte (Goldfleet!).

Über die Starts soll nicht mehr viel berichtet werden, da sie mehr oder weniger immer gut funktionierten oder perfekt waren. So auch in Race 7. An der Luvmarke rundete Philipp ca. an 12. Position und musste wegen einer Bootsberührung im Gedränge kringeln. Aber nun Gashebel auf. An der Raumtonne 23. Die geniale Vorwindtechnik hat ihn gleich um ein ordentliches Positionspaket nach vorne geschippert. Auch auf den anderen Kursen näherte sich der Deutsche wieder den führenden Nationen. Besonders eindrucksvoll, auf der kurzen Zielkreuz holte er noch weitere drei Plätze und wurde im Ziel 10. Dabei hatte Philipp ein paar Meter vor dem Ziel auch noch den Gesamtführenden Scott geschnappt. Somit blieb die Sache aus Sicht der Rangfolge um die Spitzenpositionen weiterhin am Rande des grünen Bereiches. Gewonnen hatte der Schwede Emil Cedergardh (der bereits in Hyères 2007 ein gewichtiger Konkurrent war) vor einem anderen sehr schnellen Engländer, Robert Godwin. Dieser belegte kürzlich Platz 9 bei der Erwachsenen EM in Belgien. Beide rückten mehr und mehr in das Fenster der Topsegler.

Während der 8. Wettfahrt schien alles perfekt zu laufen. Philipp rundete am Luvfass als Zweiter hinter dem schnellen Briten Godwin. Auf dem Raumkurs war dieser aber nicht schnell genug. Philipp überfuhr ihn und setzte sich von ihm und dem ganzen Feld ein faszinierendes Stück ab. Das zog die Aufmerksamkeit der Jury auf sich. Prompt gab es gegen ihn einen Penalty mit der Anforderung von 720°-Drehung, der Grundstein für ein Riesenproblem im Finale, wie sich später herausstellen sollte. Der Bestrafte kringelte und lag an dritter Stelle, nach Anstand betrachtet fast noch in Führung. Man hätte annehmen dürfen. Er holt sie wieder. So sollte es leider nicht kommen. Der großraumtaktische Pfad auf der anschließenden Kreuz hat nicht ganz funktioniert, denn ein stärkerer Winddreher stand zu lange gegen ihn. Platz 10 nach der 2. Kreuz. und im Ziel 6.
Der Engländer Scott war in der Gesamtwertung immer noch in führend, aber sein Vorsprung war geschmolzen. Er war in der 8. Wettfahrt abgeschlagen und erlitt auf dem Raumkurs der darauf folgenden Wettfahrt zudem einem Mastbruch. Für dieses Ergebnis hielt sein Streicher her.
Buhl lag nun mit 5 Punkten Rückstand im Zwischenergebnis an 2. Stelle, nach ihm Jesper Stulheim und Emil Cedergardh (beide Schweden) sowie Jean-Baptiste Gellee (Frankreich).

Für den Finaltag (9. und 10. Race) war eine Stufe mehr Wind (bis 4 Bft) angesagt. Dazu kam eine Ozeandünung von über 2 m (ab und zu 3m) auf die sich die Windwelle schräg auflagerte. Keinephoto19_19-3 einfachen Verhältnisse. Auch der Wind war alles andere als einfach einzuschätzen. Ausgeprägte Wolkenbänder verursachten schwer zu berücksichtigende Windschübe, meist in Verbindung mit Richtungsänderungen um 10 bis (im Extremfall) 20 °.

Zwar galt es für die Segler, an jedem der Vortage, das beste zu geben. Aber an diesem letzten Tag gab es keine weitere Ausgleichsmöglichkeit mehr. Wer jetzt noch berechtigte Ambitionen auf die Podestplätze haben konnte – dies waren an die 6 bis 8 Athleten – der musste erfolgreich Gas geben.
Buhl war als Titelverteidiger natürlich insbesondere am erneuten Griff nach Gold interessiert. Mit diesem Vorhaben lastete auf ihm eine Menge.
Im 9. Race lief alles im grünen Bereich. Platz 5 im Ziel. Der führende Engländer war mit einem 39. erledigt. Buhl führte jetzt. Das wussten wir aber trotz genauer Punkteaufzeichnungen nicht. Nach unserer Rechnung musste es Stulheim mit wenigen Punkten Vorsprung sein. Er wurde aber später wegen nicht rechtzeitiger Strafentlastung gegenüber der Jury in Race 9 disqualifiziert. Für Philipp gab es deshalb nur eines: Alles auf eine Karte! Ganz nah an der Spitzenposition waren auch noch Burman, Godwin und Gellee.
Die Windtaktik war sehr schwierig, wegen der schwankenden Verhältnisse. Man musste sich letztlich für den Grundpfad entscheiden, den man mit dem Quäntchen Glück für den wahrscheinlich besten hielt.

Der Start zum Finale (Race 10) war fast perfekt. Sein vermeintlicher Hauptgegner startete nicht weit in Luv von ihm. Philipp konnte ihn etwas abhängen. Doch dann geschah es. Ein von rechts photo02_2-phibuhl-segeln-3eindriftender Windschub mit Dreher nach rechts begünstigte die weiter rechts Startenden. Stulheim war in Kürze ein gutes Stück höher im Wind. Jetzt war in kürzester Zeit eine Schlüsselentscheidung nötig: Durch Wende ans davonziehende Feld ran oder unbeeindruckt weiter links im freien Wind auf Kurs bleiben. Philipp entschied sich für ersteres. Damit hatte er möglicherweise Schaden begrenzt, aber die Führungsgruppe war weg, 23. nach der Startkreuz. Der Gesamtsieg für Buhl war jetzt nur noch möglich, wenn Stulheim (er führte das Feld an) etwas Nachteiliges widerfährt und er selbst beispiellos aufholt.
Das wusste Philipp und musste den Gashebel notfalls bis an die legale Grenze aufziehen.

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Er setzte zu einem beispiellosen Ritt auf dem Raumkurs an. Bei 4 Bft, 2 m Atlantikwelle, ordentliche Windwelle schräg dazu und die Heckwellen des vorauseilenden Feldes aus einer nochmals anderen Richtung verlangten eine äußerst lebhafte Anpassung von Körpergewichtsverlagerung und Segelanströmung um im beschleunigten Luvwind dem Feld drüberzuziehen. 8 Plätze waren auf der halben Raumstrecke geholt – völlig außergewöhnlich. Das dachte wohl auch die beobachtende Jury. Sie zog Penalty Nr. 2 gegen den Alles-oder-Nichts-Angreifer Buhl. Das bedeutete für ihn kein Kringeln, sondern Aufgabe in dieser letzten Wettfahrt. Philipp musste wohl den gewaltigsten Dämpfer seiner Karriere hinnehmen. Über weitere Abläufe vor Ort muss hier nicht berichtet werden.


Eines muss jedoch zur Jury zum Ausdruck kommen. Mit unzulässigem Vortrieb hatte Philipps Agieren nicht das Geringste zu tun. Wenn das Juryleute anders sehen, liegt es daran, dass sie nur mit theoretischem Seminarwissen ihren Job verrichten und eine Jolle bei solchen Bedingungen noch nie gesegelt haben. Mit anderen Worten: Sie haben von manchen Abläufen keine Ahnung, trillern aber trotzdem mit ihrer Pfeife und greifen gewaltig ins sportliche Geschehen ein.

Stulheim siegte bei der Finalwettfahrt und war scheinbar klar in Führung. Philipp konnte sich trotz der Geschehnisse noch den 3. Rang ausrechnen. Wie es schien, war Gellee (Philipps früherer Protestor) der 2. gelungen. Aber es kam anders. Die Protestwelle rollte nach dem Finale weiter. Stulheim wurde in Race 9 ebenso wie Gelle nachträglich disqualifiziert. Damit blieb Stulheim nur um 3 Punkte vor Philipp. Gellee, der Philipp auf sehr fragliche und eigentlich unsportliche Weise in Race 5 herausprotestiert, sollte wohl spüren, wie das ist. Er unterlag einem Protest in Race 9 aufgrund eine ähnlichen Situation wie zuvor Buhl und verschwand von den Podestplätzen.

 

 

Nach relativ vielen Protesten, lebhaftem Jury-Pfeifkonzert und einer dramatischen Szenerie standen die Sieger fest:
1. Jesper Stulheim (45 Punkte, Schweden, Jahrgang 88)
2. Philipp Buhl (48 Punkte, Deutschland, Jahrgang 89)
3. James Burman (50 Punkte, Australien, Jahrgang 89)
4. bzw. 3. Europäer: Robert Godwin (50 Punkte, England, Jahrgang 88)

Zweitbester Deutscher wurde Philipps Kader-Kollege Oltmann Thyen (Rang 13, 97 Punkte, Lübeck, Jahrgang 1988.
Wie groß die Leistungsdichte im Topbereich war, verdeutlich die Tatsache, dass unter den besten Zehn 7 verschiedene Nationen vertreten waren.

Was für Philipp blieb sind ein paar Enttäuschungen. Dazu gehörte sicherlich die fahrlässige Juryentscheidung im Finale, aber nicht sein 2. Platz. Philipp: „Der Zweite ist mir so wertvoll wie der Titel, wenn ich dran denke, was mir alles widerfahren ist.“ Der erste Kommentar mir gegenüber nach tröstenden Worten noch auf dem Wasser: „Ich weiß, dass ich hier als bester Segler vom Platz gehe.“

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